Will nicht
drauf aus sein,
mein Bild
im Spiegel zu taxiern.
Will meiner gewiss sein
wie Bäume,
die, vom Licht gemalt,
im See sich sehn
und doch ihr Bild
nie achten.
Rank und himmeltanzend,
krumm und sturmzerzaust
stehen sie da,
als ob sie auf mich warten,
wie Wesen, die wissen,
dass gut sie mir tun,
so wie sie sind.
Schau ich beschenkt
sie an,
brauch ich den Spiegel
nicht mehr,
der mir nur zeigen kann,
wie ich mich seh.
So lass ich zufrieden
mich sein wie ich bin
und finde,
wenn ich dich seh,
in deinem Blick
den Spiegel
meines Glücks.
Über Leichen schlendern
Schon vor Jahren habe ich mein Auto aufgefordert, mich täglich an etwas zu erinnern. Und es pariert. Ich brauche nur aufs Kennzeichen zu schauen, und schon sagt es mir, was ich oft vergesse. Dort stehen nach dem Ortskürzel die Buchstaben „CD“ für Carpe Diem (nutze den Tag). Nicht dass ich ohne diesen Hinweis untätig wäre, aber ich würde mich zu oft auf sinnlose Weise belasten und mir so den Tag versauen.
Inwiefern? Indem ich mich aufrege. Mal übers Wetter, oft über mich und beispielsweise immer wieder über AfD-Anhänger, die montagsabends durch die Innenstädte des Oldenburger Münsterlandes spazieren. Manchmal habe ich das Gefühl, sie könnten über Leichen gehen. Vor allem dann, wenn sie mit Hass auf der Zunge sogar über Stolpersteine schlendern, mit denen Menschen eines Rechtsstaates an die erinnern, die das Hassregime von einst vernichtet hat.
Aufregung und schimpfende Revanche helfen nie weiter. Beide fressen Lebensenergie. Und nicht nur das. Wer sich am Schlechten festbeißt, hält sich auf Dauer die besten Menschen vom Leib. Man wird einsam. Denn wer will schon ständig hören, was fürchterlich ist und was Katastrophales droht! Klar, Menschen, die gern über Staat und Welt herziehen, rotten sich gern zusammen. Aber sie harmonieren auf Dauer nicht, weil sie die Tendenz haben, auch übereinander schlecht zu reden.
Wenn ich jeden Tag aufs Beste nutzen will, brauche ich Gelassenheit. Vor allem dann, wenn die Welt aus den Fugen gerät. Bei diesem Stichwort fällt mir die Queen ein. Sie ist in meinen Augen die Königin der Gelassenheit. Ich denke auch an Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die selbst in größter Turbulenz gelassen blieb. Doch wie geht das? Über Altkanzler Helmut Schmidt weiß man, dass er sich Gelassenheit zeitlebens vom römischen Kaiser und Philosophen Marc Aurel abguckte. Diesen alten Stoiker fand er schon als Junge faszinierend. Sein Denken half ihm als Staatsmann, massive Krisen zu bewältigen und schnell schwere Entscheidungen zu treffen.
Aber was denkt so ein Stoiker? Kurz gesagt, dass Gelassenheit in der Konzentration auf das Wesentliche entsteht. Wer so denkt, nimmt das Leben ernst, aber nicht schwer. Das heißt nicht, dass die Stoiker Positiv-Denker waren. Sie blickten ganz genau auf das Schlechte und Verlogene. Ebenso wenig waren sie Schwarzmaler. Sie ließen sich jedoch nicht von dunklen Emotionen treiben und jammerten nicht. Stattdessen akzeptierten sie, was unabänderlich war. Und sie führten sich vor Augen, was Schlimmeres hätte passieren können. So empfanden sie nicht nur Freude über ihr Schicksal, aus ihrer Freude schöpften sie Kraft.
Wer in aufgebrachter Zeit Gelassenheit zeigt, fasziniert. So jemand wirkt stark und auch anziehend. Wenn ich’s recht überlege, mag ich schon allein das Wort Gelassenheit. Der Theologe und Philosoph Meister Eckhart soll es um 1300 in seinen Predigten geprägt haben. Ich mag es, weil in ihm das Aktive und das Passive steckt: Ich kann etwas lassen, und ich kann gelassen werden.
Der Felsen, der du für mich bist
Denk ich an dich,
seh ich den Felsen,
der du für mich bist.
Seh die Brandung,
die nie dich verletzt,
sehe Fregatten,
die achtungsvoll
dich umschiffen
auf ihrer Fahrt
zum sicheren Hafen,
wo neben Kanus ruhend
nun sie zu Felsen werden.
Einem wie dir
kann ich nichts sein,
will dennoch wissen,
wer du bist.
Mache mich auf,
in luftiger Höhe
dir in die Augen zu schaun,
in deinem Blick
zu erheischen,
wer ich für dich bin.
Und mache ich Rast
in finstrer Höhle deines Leibs,
finde ich
in deiner Tiefe tastend
mich.
Dir mein Achten
und Atmen schenkend.
Im winterlichen Festgewand
Wie sehr du dich
verändert hast,
mein Winterfarn,
du, den das Licht
verlassen.
Schau suchend dich an,
doch mein Ideal,
das einst ich in dir sah,
finde ich nicht
und frage mich,
ob du noch sein kannst,
was so lange
du mir warst.
Vom Sommer verlassen,
du und ich,
erschrickt mich
mein frostig suchendes Sein.
Vereiste Augen
tasten frierend dich ab,
erspüren sie wieder,
die vertraute Gestalt,
die so oft schon
mich tauen ließ.
Nun find ich
im Schmelzwasser
meines Blicks
dich wieder,
dich, mein Ideal,
im winterlichen
Festgewand.