Nichts los. Lungernde Leere. Gedanken klopfen an, kehren zurück wie längst gegangene Gäste, betreten das Nichts, kreisen auf der Tanzfläche der Erinnerungen. feiern und streiten, lieben, begehren, rechnen ab. Das Jetzt bringt sie aus dem Takt. Keiner setzt sich. Sie tanzen ins Nichts.
Mit weißem Himmelsstaub bedeckt der Winter Bäume, Felder, Dächer, reicht dem Jahr das Nachtgewand, will uns führn zur Traumesstille, aus der hellwach wir schaun auf das, was kommen mag.
Ich mag dich, du zartes Nebelgewand. Wenn du die Welt mit dir umhüllst, ertasten meine Augen Formen wie einer, der entnebelte Blöße sucht. Bald hör ich dich flüstern, hör, wie du tuschelst mit meiner Fantasie, ihr ungewisse Versprechungen machst. Und im Ungewissen entdecke ich Leben. Bis ich es rückwärts lese, dieses Leben, und dich in ihm erkenne, dich, meinen Freund, den Nebel.
O Nacht, du musst sie lieben, all die Halme und Sprosse, die ihr Ich kaum erfahren, im Wir ein Leben lang Weide sind. Hast für sie in lichtfernen Stunden deine Schätze aus nachtkühlen Schatullen geholt, jeden Halm, jeden Spross mit deinem Tau geziert. Einen prachtvoller als den anderen. Und wenn der Tag zur Wachablösung dir gute Nacht gesagt, ist’s, als hättest du dein diamantenes Kleid abgestreift, damit des Morgens Sonne ihre eigne Pracht in der Weide glitzerndem Gewand erkenne.
Alles still, wie lahmgelegt, und doch von Stillstand keine Spur. Silbergrau gewandet feiern Zweige, Äste, Halme winterfestlich leis das Innehalten. Vom Sommerkleid befreit, sind sie bereit, des Frostes weißes Raugewand zu tragen. Beim Walzer klirrend kalter Zeit sich wiegend, erspüren sie im Miteinander der Sonne Weg vom Ich zum Du.
Ein Bild des britischen Regisseurs Isaac Julien. Gefunden im Bremer Museum Weserburg.
Manchmal, wenn sie ganz nah mir ist, glaube ich, sie zu hassen. Kehrt sie dann endlich mir den Rücken zu, entweichend in die Straßen meiner fernsten Ziele, fange ich an, sie zu ersehnen und kann schon schmecken der Sehnsucht bittersüßen Namen.
Ich frage mich, was ich an ihr so mag, ist doch Erfüllung nur der Schluss gelackter Utopie. Wahrscheinlich ist’s der Sehnsucht Geist, der leis dem tiefsten Wollen sagt, dass die Erfüllung meiner größten Wünsche mich niemals macht so glücklich wie gedacht.
So gleite ich, die Sehnsucht liebend, mit der Ebbe schmerzlichen Vermissens ins tiefe Meer des Wollens. Fest halte ich der Sehnsucht Hand, spüre Glück mit ihr an meiner Seite, schenkt sie doch meinem Leben Ziel. Und bleibt mein größtes auch für immer unerreicht, so seh ich mit der Sehnsucht neben mir doch stetig Land. Denn wäre sie nicht da, wär es mein Untergang. * Dieses Foto ist das Foto von einem Foto. Das Original hat der britische Regisseur Isaac Julien gemacht hat. Ich habe es im Bremer Museum Weserburg fotografiert. Dazu schreibt das Museum: „Die Kälte des Tagungsraumes, seine strenge Fensterfront im kühlen Schwarz-Weiss vermitteln den Eindruck arrangierter Künstlichkeit. Auch die Hausangestellte wirkt wie ein Teil der sterilen Einrichtung. Aber ihre Haltung erinnert an romantische Rückenfiguren mit ihrem sehnsuchtsvollen Fernblick. Ihr Blick jedoch verliert sich in einer Vielzahl unpersönlicher Hochhäuser. Das Foto ist eine eigenständige Bilderzählung, obwohl es als Teil einer mehrteiligen Fotoserie im Zusammenhang mit Juliens Filminstallation Playtime (2014) entstand.“
Hab so oft schon mich gefragt, warum ich euch so mag, euch Waldgestalten. Ist’s der Kiefern wilder Wuchs, der still mir meine Starrheit zeigt, bis Wildheit endlich auch in mir gedeihen kann? Ist es das kathedrale Dach der Buchen, das meinen Blick zum Himmel lenkt und meiner Schwere Flügel schenkt? Oder ist’s des Farns Genügsamkeit, die stumm mich lehrt, dass Leben auch auf Schattenseiten palmengleich mit Schönheit prassen kann?
Gewiss, das alles ist‘s. Doch im Tiefsten mich erhellt, wenn all ihr Kiefern, Buchen, Farne euch, vom Wind bewegt, zum Tanz der Wälder schwingt. So verschieden ihr auch seid, ist Harmonie doch euer einzig Ziel, wenn nach des Himmels Dirigat ihr euren Leib mal neigt, mal hebt, und der Welt vor Augen führt, wie Einklang geht.
Kann’s sein, dass ich zu wenig Beachtung dir geschenkt? Mir schwant, dass viel mehr du bist als schnöde Verpackung. Schau ich genau dich an, entdeck ich das Wort. Es ist dir so ähnlich, muss deine Schwester sein.
Das Wort ist talentiert wie du, verhüllt Wahrheit wie Lüge, Bewunderung wie Hass. Immer ist das Wort für mich da, kommt mit Schulterklappen daher, kreuzt im Talar bei mir auf, und bietet selbst im weihräuchernden Habit mir seine verpackenden Dienste an.
Mal verhüll ich eigne Niederlagen mit ballernden Wortkanonaden, mal wickelt das Wort mich ein, und manchmal, verwickelt’s mich in Gedanken, die ich nie gedacht, in denen ich mich suche und niemals find.
Und manchmal schafft’s das Wort, Händen gleich, mich anzuziehen. Wenn das geschieht, zieht’s bald mich auch aus, und entdeck ich meine Blöße dann, seh ich in ihr mein schönstes Gewand.
Überleg ich es recht, so liebe ich dich, geheimnisvolle Hülle. Egal, wie du bist, ob edel glänzend oder grau wie Packpapier, du bist die Haut, die meiner Hoffnung Formen gibt.
Will nicht drauf aus sein, mein Bild im Spiegel zu taxiern. Will meiner gewiss sein wie Bäume, die, vom Licht gemalt, im See sich sehn und doch ihr Bild nie achten. Rank und himmeltanzend, krumm und sturmzerzaust stehen sie da, als ob sie auf mich warten, wie Wesen, die wissen, dass gut sie mir tun, so wie sie sind. Schau ich beschenkt sie an, brauch ich den Spiegel nicht mehr, der mir nur zeigen kann, wie ich mich seh. So lass ich zufrieden mich sein wie ich bin und finde, wenn ich dich seh, in deinem Blick den Spiegel meines Glücks.
Denk ich an dich, seh ich den Felsen, der du für mich bist. Seh die Brandung, die nie dich verletzt, sehe Fregatten, die achtungsvoll dich umschiffen auf ihrer Fahrt zum sicheren Hafen, wo neben Kanus ruhend nun sie zu Felsen werden. Einem wie dir kann ich nichts sein, will dennoch wissen, wer du bist. Mache mich auf, in luftiger Höhe dir in die Augen zu schaun, in deinem Blick zu erheischen, wer ich für dich bin. Und mache ich Rast in finstrer Höhle deines Leibs, finde ich in deiner Tiefe tastend mich. Dir mein Achten und Atmen schenkend.