
Des Winters goldner Atem
haucht der Erde Stille ein,
durchschleicht die Landschaft,
küsst in leisem Tanz
frostmüde Zweige wach,
bereitet der Natur die Bühne,
die unsre Herzen sehen lässt,
was Leben ist.
Buchautor und Journalist. Jury-Mitglied der Literaten-Vereinigung "Gruppe 48".
Des Winters goldner Atem
haucht der Erde Stille ein,
durchschleicht die Landschaft,
küsst in leisem Tanz
frostmüde Zweige wach,
bereitet der Natur die Bühne,
die unsre Herzen sehen lässt,
was Leben ist.
Dich so zu sehen!
Meine Augen
wollen zu dir empor,
verlangen nach deiner Größe,
die einst mich Ehrfurcht gelehrt.
Im Schatten deiner Krone
dich ermessend
brachtest du mir Demut bei.
Jetzt liegst du da,
vom Tod zerfetzt,
vom Leben zerfressen.
Erzählst mir stumm
von der Erde,
aus der du nicht mehr saugst,
was Jahrhunderte dich genährt.
Tot erfüllst du sie mit Leben,
diese Erde, bis sie Kreaturen
wie dich gebiert.
So schaue ich auf zu dir,
der du am Boden liegst,
vergesse alle Sorgen
ums Überleben
ein Waldrauschen lang
und übe mich
im schönsten Erleben.
Hatte nicht mehr daran geglaubt,
dich noch zu sehen,
nicht an diesem Abend.
Hatte nur darauf gehofft,
ganz leis, kaum lauter
als schläfriger Abendwind,
der die Halme streift.
Wie aus Waldes Zauberhand
entsprungen
bist du nun aufgetaucht,
sichtbar geworden,
nur weil du mich nicht siehst.
Ich betrachte dich
mit starren Lidern,
will dich nicht vertreiben
aus menschenferner Blätterwelt,
erkenne in dir das Wesen,
das nicht an gestern
und an morgen denkt,
das den Augenblick
liebevoll mit Aufmerksam beschenkt,
und ich begreife,
dass im Beobachten
das Achten wohnt. 😀
Niemand bei mir und doch nicht allein.
Alte Gedanken treten ein,
setzen sich mir zur Seite,
untermalen die Stille
mit ihrem Klang,
wetteifern
mit dem Rauschen
des Laubes,
führen bald das Wort.
Ich höre ihnen zu
wie ich es selten getan,
höre Fragen,
die ich oft überhört
oder eingekerkert habe.
Lausche ihnen
nun freundschaftlich
im leisen Konzert des Waldes
und beschenke Gedankengäste
mit Antworten,
die ich soeben noch gar nicht hatte.
„Glaubst du wirklich, dass du hier hingehörst“, fragte einer der Aufrechten den Schrägen. „Glaub schon“, sagte der Schräge. „Wieso?“
„Schau dich doch mal um, hier steht man gerade.“
„Hab ich schon gesehen. Aber einfach nach oben ist halt der schnellste Weg zum Licht.“
„Nicht nur das“, sagte der Aufrechte, „man macht auch ’ne bessere Figur.“
„Ach so“, sagte der Schräge, „ich dachte schon eure Haltung wär ’n Strammstehen vor der Sonne.“
„Strammstehen? Wir sind halt integriert. Was man von dir nicht gerade sagen kann.“
„Macht doch nichts“, sagte der Schräge. „Integration ist ’ne prima Sache, klingt aber so vornehm, dass ich manchmal misstrauisch werde.“
„Warum?“
„Weil dahinter ’ne Anpassung steckt, die ich lieber Unterwerfung nennen würde. Nicht immer. Aber ab und zu. Und ziemlich oft.“ 😀
Als hätte deine Gestalt
leis zu mir gesprochen,
schau ich zu dir empor.
Frage mich, wer du bist.
Menschlicher Baum
oder hölzerner Mensch.
Du sagst es mir nicht,
stehst einfach da,
geheimnisvolle Waldgestalt,
und streichelst stumm
meine Sinne wach.
Ich berühre deinen Leib
mit Blicken,
bis ich die Schönheit
in dir entdecke
und mich frage,
ob die Krone der Schöpfung
nicht auch dir
ganz gut passt. 😀
„Ich mach mir Sorgen um dich“, sagte der Winter zum Blatt.
„Wieso?“
„Weil du so deprimäßig herumhängst.“
„Ja und? Lass mich doch.“
„Ich würde aber schon gern wissen, was los ist.“
„Ach, alle haben sich davongemacht. Zuerst der Frühling, dann der Sommer und dann auch noch der Herbst, mit dem jeder Tag so herrlich bunt war.“
„Aha“, sagte der Winter. „Aber ich bin doch da. Und ich bleibe. Auf jeden Fall bis der Frühling wieder bei dir ist.“
„Das kann aber lange dauern.“
„Klar, aber daran siehste, dass `ne etwas kühlere Beziehung länger halten kann als `ne allzu heiße.“
Ich mag dich,
du zartes Nebelgewand.
Wenn du die Welt
mit dir umhüllst,
ertasten meine Augen Formen
wie einer, der Nacktheit sucht.
Bald hör ich dich flüstern,
hör wie du tuschelst
mit meiner Fantasie,
ihr ungewisse
Versprechungen machst.
Und im Ungewissen
entdecke ich Leben.
Nur Leben.
Bis ich es rückwärts lese,
dieses Leben, und dich
in ihm erkenne, dich,
meinen Freund, den Nebel.
Man braucht ja was zum Aufschauen.
Und hin und wieder zum Anlehnen.
Man kann sich auch dran reiben.
Und man kann von so ’nem Riesen träumen.
Und davon, dass man selbst noch viel größer
als er und der Riese nur ein Zahnstocher ist.
Aber dann hat man keinen mehr zum Anlehnen.
© Andreas Klaene
Keiner
stellt sich ihnen in den Weg.
Zu verwegen stehen sie da,
unrasiert, unfrisiert,
unangepasst.
Anders als alle.
Die Welt aller
ist nicht ihre.
Ihr Zuhause ist der Wind,
ihr Feuer die Kälte, „Keiner stellt sich ihnen in den Weg“ weiterlesen