OM-Medien-Kolumne Juli
„Ich finde es völlig okay, wenn Männern bei der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.“ Dies ist nicht die Aussage eines speziell entgleisten Mannes. So tönen laut Befragung der Organisation Plan International 33 Prozent der 18- bis 35-jährigen Männer.
Mein erster Gedanke, als ich dies in der Tagesschau hörte: Wie schräg bis mutig muss einer sein, diese Einstellung über die Lippen zu bringen?! Doch dann: schräg ja, mutig nein. Schließlich werden derartige Bilder von Männlichkeit täglich auf prominente Weise salonfähig gemacht. Egal, ob Erdogan, Putin, Trump oder die AfD mit ihrem Björn Höcke, sie alle malen mit selbstbewusster Unverfrorenheit an ihrem vorgestrigen Bild vom Mann.
Das Gefährliche daran ist, dass sie damit nicht nur Männer mit verbrecherischem Potential vergiften. Der Feminismus geht vielen auf den Senkel. Nicht nur verkappten Alphamännchen. Auch solchen, die sich für fortschrittlich denkend halten. Die Höflichen machen still ihre hämischen Witze, andere bringen messerscharf rüber, wer in einer „ordentlichen“ Partnerschaft das Sagen zu haben hat. Da ist es nicht mehr schwer nachzuvollziehen, dass die Parole, der Mann dürfe heutzutage kein richtiger Mann mehr sein, wie ein Ohrenschmaus in den Gehörgang dringt.
Aber was ist ein richtiger Mann in den Augen derer, die so sehr darauf aus sind, zu Hause der King zu sein? So einer möchte unter anderem keine Beziehung mit einer Frau, die bereits viele Sexualpartner hatte. Das sagte jeder zweite Befragte. Allerdings finden 37 Prozent es ziemlich reizvoll, mit möglichst vielen Frauen zu schlafen. Was bei „richtigen“ Männern so gar nicht oben auf der Liste steht, ist, Gefühle zu zeigen. Die Mehrheit gab zu, sich dann schwach und angreifbar zu fühlen.
Natürlich kennt auch ein „richtiger“ Mann Trauer und Verzweiflung. Es kann auch passieren, dass er komplett am Ende ist. Sich Hilfe zu holen, kommt für ihn jedoch kaum in Frage. Dann müsste er ja über sein Problem reden. Und das wäre unmännlich, ja, weibisch. Er hätte das Gefühl, das traditionelle Bild seiner Männlichkeit wie ein geliebtes Ölgemälde eigenhändig aus dem Goldrahmen zu stoßen. Ein „richtiger“ Mann zieht es vor, zu schweigen. Viele schweigen sich tot. Sie sehen ihre einzige Lösung im Suizid. Diesen letzten Weg gehen dreimal mehr Männer als Frauen.
Das Ergebnis einer anderen Untersuchung zeichnet das Bild des typischen Mannes herrlich simpel: Er ist mit dem Auto unterwegs und verfranzt sich. In so einer Situation nimmt er es in Kauf, im Schnitt dreißig Minuten umherzuirren, statt einfach nach dem Weg zu fragen. Frauen kommen schneller ans Ziel, denn sie fragen bereits nach fünf Minuten.
Der männlichen Angst, weibisch zu sein, folgt der Druck, eine Stärke zu zeigen, die gar nicht existiert. Aber auf diese Weise verkümmert Empathie. Sowohl die für sich selbst als auch die gegenüber anderen Menschen. Und das führt letztlich zu Aggression. Gegen sich selbst und gegen das eigene Umfeld.