Wer staunend schaut

Will nie mein Lächeln 
im Requiem des Alltags 
bestattet sehen. 
Will lernen, 
zu schaun auf die Welt 
wie ein Kind. 
Will mich nicht fürchten, 
zu staunen, 
möcht mich ergreifen lassen 
und begreifen, 
dass nur 
wer staunend schaut, 
sieht, was für Augen 
unsichtbar ist. 

Staunend will ich 
schaun auf die Welt, 
auf alles um mich herum, 
bis all meine Sinne 
die feinsten Register ziehn
und meine Ohren im Pianissimo 
des Lebens Liebesgesang hörn.

Hellwach die Nacht verehrn

Bevor des letzten Tages Kerze ausgebrannt,
will ich lernen, hellwach die Nacht zu verehrn.
Nicht die eine, die alle erwartet,
nein, jede, die mir enthüllt,
was kein Tag mir zeigen kann.
Denn du, finstre Nacht,
schenkst mir der Sterne Leuchten,
während du selbst
dich im Mondlicht sonnst.
Im Meer der Träume
schlägst du meine Angstfregatten leck
und lässt sie in dir untergehn. 

Von wegen konkurrenzlos schön

„Mal ’ne Frage, so von Margerite zu Margerite“, sagte die eine zur anderen. „Findeste nicht auch, dass wir unheimlich gut aussehen?“
„Jedenfalls ganz passabel“, sagte die andere. 
„Passabel? Also ich finde, wir sind ’ne Pracht.“
„Nicht nur wir.“
„Ja, okay, aber hier sind wir außer Konkurrenz.“
„Und was ist mit unserem Glockenturm? Ich finde den total imposant.“
„Er sich aber auch, dieser Angeber. Der will doch nur eins: hoch und höher hinaus. Für unsereins hat der doch gar keinen Blick.“
„Der ist wahrscheinlich in den Himmel verliebt.“
„Ich sag’s ja: Angeber. Träumer. Rafft überhaupt nicht, dass der Himmel ’ne Nummer zu groß für ihn ist.“
„Lass ihn doch. Wird schon passen.“
„So ein Stuss.“
„Nee, im Traum ist nix unmöglich. In der Liebe doch auch nicht. Die zieht einen immer hoch hinaus. Ist übrigens auch gut so.“ 
„Wieso?“
„Weil sie uns sonst nie so tief berühren würde. Träumst du denn nie?“
„Klar.“
„Und wie ist das?“
„Ganz merkwürdig. Ich erfahre da immer Sachen über mich, von denen ich nicht mal gewagt hätte zu träumen.“ ?

Einfach dicht gemacht

„Hey, was ist denn mit dir passiert“, sagte der Weg zum alten Durchgang.
„Wieso?“
„Man kennt dich ja gar nicht mehr wieder.“
„Red nicht, hast mich doch erkannt.“
„Aber nur nach genauem Hinsehen.“
„Ja und?“
„Früher war das anders. Du wirktest so offen und einladend.“
„Glaubst auch nur du.“
„Nein“, sagte der Weg, „alle fanden dich toll.“
„Ach nee, hat mir aber trotzdem keiner die Türen eingerannt.“
„Und jetzt, wo du dicht gemacht hast?“
„Auch nicht so toll. Lassen mich alle eiskalt links liegen.“
„Klar, wer mauert, ist nicht erreichbar. Kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich dir so nahe sein kann.“
„Wieso?“
„Weil mit Nähe Kälte verschwindet. Ich merk’s schon.“ ??

Kaffee statt Weihrauch

Ich hab‘s ausprobiert, und es gelingt tatsächlich: Hier, in dieser ehemaligen Kirche, kann man nicht nur gemütlich Kaffee trinken, sondern dabei auch noch ein Buch über Typen lesen, mit denen überhaupt nicht gut Kirschen essen ist. 

Bis zum Umfallen

„Ist doch kein Leben, so ein Rumstehen bis zum Umfallen“, sagte das Denkmal. „Seit Jahrhunderten frage ich mich, ob die, die unter mir liegen, mich jemals gebraucht haben. Wenn ja, dann haben sie einen wie mich nicht verdient. Und falls sie mich doch verdient haben, dann können sie mit einem wie mir nichts anfangen. Ich glaube, ich leg mich jetzt einfach mal hin.“ ?

Das müsste himmlisch sein

Es gibt ja Leute, die treibt es mit höllischer Macht an die Spitze. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn die alle dort oben ankämen. Dann müsste es unten geradezu himmlisch sein. ?