„Ich mach mir Sorgen um dich“, sagte der Winter zum Blatt.
„Wieso?“
„Weil du so deprimäßig herumhängst.“
„Ja und? Lass mich doch.“
„Ich würde aber schon gern wissen, was los ist.“
„Ach, alle haben sich davongemacht. Zuerst der Frühling, dann der Sommer und dann auch noch der Herbst, mit dem jeder Tag so herrlich bunt war.“
„Aha“, sagte der Winter. „Aber ich bin doch da. Und ich bleibe. Auf jeden Fall bis der Frühling wieder bei dir ist.“
„Das kann aber lange dauern.“
„Klar, aber daran siehste, dass `ne etwas kühlere Beziehung länger halten kann als `ne allzu heiße.“
Bis ich dich erkenne
Ich mag dich,
du zartes Nebelgewand.
Wenn du die Welt
mit dir umhüllst,
ertasten meine Augen Formen
wie einer, der Nacktheit sucht.
Bald hör ich dich flüstern,
hör wie du tuschelst
mit meiner Fantasie,
ihr ungewisse
Versprechungen machst.
Und im Ungewissen
entdecke ich Leben.
Nur Leben.
Bis ich es rückwärts lese,
dieses Leben, und dich
in ihm erkenne, dich,
meinen Freund, den Nebel.
Was zum Anlehnen und Aufschauen
Man braucht ja was zum Aufschauen.
Und hin und wieder zum Anlehnen.
Man kann sich auch dran reiben.
Und man kann von so ’nem Riesen träumen.
Und davon, dass man selbst noch viel größer
als er und der Riese nur ein Zahnstocher ist.
Aber dann hat man keinen mehr zum Anlehnen.
© Andreas Klaene
Keiner stellt sich ihnen in den Weg
Keiner
stellt sich ihnen in den Weg.
Zu verwegen stehen sie da,
unrasiert, unfrisiert,
unangepasst.
Anders als alle.
Die Welt aller
ist nicht ihre.
Ihr Zuhause ist der Wind,
ihr Feuer die Kälte, „Keiner stellt sich ihnen in den Weg“ weiterlesen
Sie haben einander nie gesucht
Sie haben einander nie gesucht,
fanden im Schicksal, das sie zusammengeführt, Nähe,
die sie nie wollten,
flohen hinauf auf ewiger Flucht vor dem anderen,
rieben und stachen einander bis aufs Blut. „Sie haben einander nie gesucht“ weiterlesen
Vom Licht beschenkt
Wie schon ewig Angekommene
stehen sie da, bleiben wo sie sind,
fühlen sich vom Licht beschenkt,
das der Tag ihnen bringt,
stehen denen Spalier, „Vom Licht beschenkt“ weiterlesen
Das strahlende Jetzt
Aufrecht stehen sie da,
ein Fichtenleben lang.
Wie Wesen,
die nicht
voneinander lassen mögen,
bleiben sie, wo sie sind, eng beieinander.
Und wütet der Wind,
„Das strahlende Jetzt“ weiterlesen
Jeder fand sie schön
Früher war sie nicht zu übersehn,
jeder fand sie schön, viele zog sie an.
Sie stand einfach da,
selbstbewusst, lebendig, stolz.
Sie steht noch immer da.
Die Zeit hat sie klein gemacht,
an Haut und Gestalt gefressen. „Jeder fand sie schön“ weiterlesen
Sie steht noch immer
Lange wird sie’s nicht mehr machen.
Das tuscheln sie alle,
die Gräser, die Erlen, die Weiden
und die Butterblume
ganz aufmüpfig im kindlichen Gelb.
In ihrer Lebensgier
vom Frühjahr und Sommer geschafft,
ziehen sie alle
im Herbst sich müde zurück.
Bis zum nächsten Frühling.
Dann trauen sie
ihren winterverschlafenen Augen nicht, „Sie steht noch immer“ weiterlesen
Als wollte er es behüten
Der alte Baum
legt seine Arme übers Wasser.
So, als wollte er es behüten.
Mit seiner ganzen Kraft
und alten Macht.
Er ist an ihm zu Hause,
an diesem See,
der ihm gibt, was er braucht,
um dem Licht entgegenzustreben
und uns mit seinem Bild zu zeigen,
wie frohmachend es ist,
dass es so knorrige Typen wie ihn gibt.
Andreas Klaene