Im winterlichen Festgewand

Wie sehr du dich 
verändert hast,
mein Winterfarn,
du, den das Licht 
verlassen.
Schau suchend dich an, 
doch mein Ideal, 
das einst ich in dir sah,
finde ich nicht
und frage mich,
ob du noch sein kannst,
was so lange 
du mir warst. 
Vom Sommer verlassen,
du und ich,
erschrickt mich 
mein frostig suchendes Sein.
Vereiste Augen 
tasten frierend dich ab,
erspüren sie wieder,
die vertraute Gestalt,
die so oft schon 
mich tauen ließ.
Nun find ich 
im Schmelzwasser 
meines Blicks 
dich wieder, 
dich, mein Ideal,
im winterlichen 
Festgewand.

Des Zylinders Wunderwelt

Bevor lezter Respekt
als alter Hut 
im Unrat 
polierter Egos zerfällt,
will ich lernen zu zaubern.
Wenn ich’s geschafft,
zieh ich, 
was abgelegt in alter Zeit,
aus des Zylinders Wunderwelt hervor. 
Dann tritt zutage,
was jedem nur scheinbar vertraut.
Nichts als das Ich, 
deins und deins und meins.
Als Zauberer lass ich es fliegen,
so elegant wie wir es nie gesehn,
bis Achtung unsere Sinne erhebt,
meine Achtung vor mir und dir und dir.
So von uns begriffen und geliebt
werden wir Drillinge gebären,
die Empathie, die Höflichkeit 
und den Respekt.
Mit ihnen ist die Welt zu retten,
bevor sie in der Bugwelle 
faulen Zaubers untergeht.

Was nachts geschah

In kalter Nacht, 
wenn alles schläft, 
wird er hellwach. 
Zu frostiger Stunde 
macht sich der Winter auf, 
die Welt zu beschenken. 
Aus finstrer Nacht holt er hervor,
was der Tag 
mit seinem Licht kaschiert.
Der Winter nimmt’s,
und sei es noch so klein,
verehrend und liebend
in frostglühende Hände, 
umschmiegt das Haar, 
ummantelt’s 
mit kristallnem Schmuck
und zeigt dem Morgen,
was liebend nachts geschah.

Bis kälteste Gedanken in mir tauen

Fühl manchmal mich 
wie schockgefrorn, 
wenn Worte eisig 
in mich stechen. 
Suche im Gesicht, 
das sie gebar,
den Menschen, 
den ich glaubt zu kennen, 
doch finde seine Fratze nur.
Schockgefrorn kann nur noch 
Rache in mir fließen,
bis kälteste Gedanken 
in mir taun.
Sehe sie 
im Schmelzwasser verrinnen
und erkenne 
im Spiegel seiner Wellen den, 
der gleichsam kalt sich zeigt,
dann, 
wenn er’s nicht wagt,
die Wärme, die er hat, 
zu geben.

Das Jahr geht müde schlafen

Nun ist’s soweit,
das Jahr geht müde schlafen, 
nimmt unerfüllte Träume 
in finstre Nächte mit, 
damit sie 
vom weihnachtlichen Licht geweckt 
als Hoffnungsstern erstrahlen, 
der durchs neue Jahr 
dich lenkt.

Waldgöttlich

Wie anders du doch bist,
du alter Baum, 
so anders als ich.
Weichst nie aus,
stehst waldgöttlich da,
wie einer,
der schon immer 
dort gewesen. 
Bist Souverän 
in deiner Welt, 
die meine atmen lässt.
Bist manchem im Weg, 
aber immer zur Stelle,
bist Konfrontation 
auf geradem Weg 
zum Ziel,
ein Wegweiser, 
der ohne ein Wort 
mir sagt, 
dass so manch Konfrontation, 
die ich meide, 
mehr Feigheit
als Großmut ist. 

Zu mir empor

Kennst nicht die Scheu,
mir in die Augen zu sehn.
Schaust meistens zu mir empor
und fühlst dennoch dich 
nie klein.
Deine Blicke kesseln mich ein,
sind Liebesanschläge
auf mein Sein, 
bringen meine Abwehr 
hinter Gitter,
bis ich beschenkt mich fühle
von deinen Augenblicken
und ahne, 
dass lebenslänglich
Erfüllung wäre.

Vom Sommerkleid befreit

Alles still,
wie lahmgelegt, 
und doch 
von Stillstand keine Spur. 
Silbergrau gewandet 
feiern Zweige, 
Äste, Halme winterfestlich leis 
das Innehalten. 
Vom Sommerkleid befreit, 
sind sie bereit, 
des Frostes weißes Raugewand zu tragen.
Beim Walzer 
klirrend kalter Zeit 
sich wiegend, 
erspüren sie im Miteinander 
der Sonne Weg 
vom Ich zum Du.

Augen, die nicht nur sehen

Möchte Augen haben, 
die nicht nur sehen, 
nicht nur beäugen, 
inspizieren, kalkulieren. 
Wünsche mir, 
dass sie 
Aufmerksamkeit verschenken 
und den Augenblick 
füllen mit einem Leben, 
das in der Seele 
hörbar wird.

Zur Unendlichkeit

Weit, weit draußen, 
dort, wo des Himmels 
weiße Wolkenkissen 
all irdisches Getöse 
still in Sanftheit betten, 
muss die Unendlichkeit 
zu Hause sein. 
Würd‘ sie 
so gern erreichen, 
eins mit ihr werden, 
in ihr schwebend 
eigene Gedankendeiche 
fluten. 
Viel zu lang schon
stapft ich im Schlick 
meines Sehnens 
ihr hinterher, 
bis eigene Endlichkeit 
fast mich verschlungen.
Nun schau‘ ich 
auf den Kompass, 
den sie mir geschenkt. 
Er sagt: 
Zur Unendlichkeit 
geht’s weder vor 
noch zurück. 
Sie ist in dir.