Weil auch welke Wesen dürsten

„Ich hab auch schon mal was Frischeres als dich gesehen“, sagte die Vase zur Blüte.
„Und warum schaust du mich dann dauernd an?“
„Frag ich mich auch“, sagte die Vase.
„Wie, du weißt es nicht?“
„Doch, eigentlich schon, aber irgendwie auch nicht.“
„Vielleicht findest du mich ja einfach schön. Trotz meines Alters“, sagte die Blüte.
„Geht doch gar nicht. Andererseits, irgendwie fühlt sich das so an.“
„Wieso meinst du, dass das nicht geht?“
„Hast wohl vergessen wie alt du bist. Wo soll denn da noch Schönheit herkommen?“
„Ich glaube aus meinen Träumen, aus meiner Hoffnung.“
„Und wovon träumst du?“
„Von jemandem, der mich gern sieht.“
„Wieso?“
„Weil auch welke Wesen dürsten.“

Sie steht noch immer

Lange wird sie’s nicht mehr machen.
Das tuscheln sie alle,
die Gräser, die Erlen, die Weiden
und die Butterblume
ganz aufmüpfig im kindlichen Gelb.
In ihrer Lebensgier
vom Frühjahr und Sommer geschafft,
ziehen sie alle
im Herbst sich müde zurück.
Bis zum nächsten Frühling.
Dann trauen sie
ihren winterverschlafenen Augen nicht, „Sie steht noch immer“ weiterlesen

Als wollte er es behüten

Der alte Baum
legt seine Arme übers Wasser.
So, als wollte er es behüten.
Mit seiner ganzen Kraft
und alten Macht.
Er ist an ihm zu Hause,
an diesem See,
der ihm gibt, was er braucht,
um dem Licht entgegenzustreben
und uns mit seinem Bild zu zeigen,
wie frohmachend es ist,
dass es so knorrige Typen wie ihn gibt.

Andreas Klaene

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Altersschönheit

Es gibt sie,
diese Schönheit des Alters.
Bei Menschen
wie bei Bäumen.
Wer sie entdeckt,
fühlt sich verführt,
sie zu betrachten,
in ihren Formen,
ihren Linien,
ihrem Ausdruck zu lesen,
was Jugend
nicht beschreiben kann.

Andreas Klaene