Es waren die Redaktionen von „Münsterländische Tageszeitung“, „Oldenburgische Volkszeitung“ und „OM-Medien“, die mich baten, alle paar Wochen für sie eine Kolumne zu schreiben. Hier meine erste. War mir ein Vergnügen.
Irgendwie verstehe ich sie ja, die, die sagen: „Wählen? Ich nicht.“ Zumindest dann, wenn sie glauben, nicht die erforderliche Kompetenz zu haben. Will ich meine Kreuze komplett durchreflektiert machen, stelle ich schnell fest, kaum die Zeit zu haben, mich in alle relevanten Themen hinreichend einzuarbeiten. Aber wichtige Entscheidungen fallen selten leicht. Das prophezeit schon das Wort „entscheiden“. Es leitet sich vom Verb „scheiden“ ab, und scheiden tut nun mal weh. Egal, welche Entscheidung uns bevorsteht. Während ich eine Option wähle, muss ich eine andere loslassen. Also keine Entscheidung treffen? Das klappt nicht. Wir können uns nicht nicht entscheiden. Während wir einer Wahl aus dem Weg gehen, entscheiden wir uns für den der Mehrheit.
Zugegeben, die Gefahr einer Fehlentscheidung besteht, nicht nur, wenn es um Laschet, Baerbock oder Scholz geht. Wir können sie bereits im Klamottenladen wittern, wenn wir nicht wissen, ob wir die hell- oder die dunkelblaue Jeans nehmen sollen. Die Unzufriedenheit klopft also ziemlich häufig an die Tür. Aber wir geben ihr nicht nur durch Fehlentscheidungen einen Raum, sondern durch fehlende Entscheidungen. Darum spricht viel dafür, sich zu trauen. Wenn ich es nicht tue, schaue ich dem Film meines Lebens von irgendeinem billigen Platz aus zu, statt Regie zu führen.
Wenn ich vor einer Wahl stehe, geht es nicht allein um die Frage, ob ich mich traue. Die Frage ist auch, ob ich mir selbst traue, ob ich bereit bin, meiner inneren Stimme zuzuhören, meiner Intuition, meinem Bauchgefühl zu folgen. Wenn nicht, ziehe ich es vor, nichts zu tun. Tatenlos habe ich dann jede Menge Energie, über eine Politik vom Leder zu ziehen, die ich nicht gewählt habe, über einen Urlaubsort zu nörgeln, den ich nie so richtig wollte, oder den Partner fertigzumachen, der seine Entscheidungen immer ohne mich trifft.
Ich gebe ja zu, dass es verführerisch sein kann, anderen die Entscheidung zu überlassen. Erst recht dann, wenn ich spüre, was es bedeutet, Teil einer Multioptionsgesellschaft zu sein. Da kommt schnell das Gefühl auf, sich nicht mehr auszukennen, und man möchte sich am liebsten nicht vom Fleck rühren. Verharrend wird man zwar nicht glücklich, aber man kann in Sicherheit baden. Das Fatale ist, dass unser Gehirn uns in solchen Situationen Dopamin ins Badewasser spritzt und uns in Glückshormonen planschen lässt. Doch wir können nicht ewig in der Wanne bleiben. Außen stellen wir dann fest, das Leben fließt weiter und weiter.
Was also tun, wenn wir uns nicht für kompetent halten, die beste Wahl zu treffen? Meine Antwort: der Intuition folgen. Ich weiß, das klingt (vor allem) in männlichen Ohren banal. Die Intuition gilt als weiblich Domäne. Vielleicht wird sie deshalb häufig von Männern belächelt, die gern behaupten, dass sie nur über die Logik entscheiden. Aber wir brauchen neben der Logik auch die Intuition, denn sie ist kondensierte Erfahrung. Das kommt übrigens nicht von mir, das hat Judit Polgár gesagt. Und die ist die spielstärkste Schachspielerin aller Zeiten.