So könnte ich nie sein. Oder doch?

Gastkolumne in OM-Medien, Münsterländische Tageszeitung und Oldenburgische Volkszeitung am 22. März.

Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht: wie erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist? 

Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, ich will es gar nicht von Ihnen wissen. Max Frisch war es, der diese Frage in seinem Buch „Fragebogen“ formuliert hat. Auch er war nicht darauf aus, Antworten seiner Leserschaft zu bekommen. Er stellte sich selbst diese Frage, wie auch viele weitere, die ebenso dazu verleiten, eigenes Denken und Tun zu hinterfragen.

Es gehört Mut dazu, solches, wenn auch nur im Selbstgespräch, ehrlich zu beantworten. Schnell kann sich nämlich herausstellen, dass unsereins gar nicht immer das Gute will, und dass die miesen Typen nicht immer die anderen sind. So eine Erkenntnis wirkt wie ein Biss ins eigene Gemüt. Da blicke ich schon lieber auf die prominenten Aggressoren unserer Zeit und stelle fest: So könnte ich nie sein.

Natürlich hätte ich schon hin und wieder jemanden am liebsten auf den Mond geschossen. Und das, obwohl ich weiß, dass ein Aufenthalt dort oben alles andere als eine lebenserhaltende Maßnahme ist. Klar, ich könnte solch einen Abtransport gar nicht organisieren. Schließlich habe ich kein Raumschiff in der Garage. Aber wenn ich eins hätte … 

Autokraten scheinen alles zu können. Mit ihren Lügen zertrümmern präsidiale Gangster systematisch unsere bewährten demokratischen Werte. Wie einen abgefuckten Fußball treiben testosteronschwangere Männer unsere Erde vor sich her – geradewegs Richtung Aus. Und das alles mittels ihrer Lügen, die sie in imperialistischen Reden wie monomanische Verse zelebrieren. 

Von der Philosophin Hanna Arendt gibt es ein vernichtendes und nachdenklich machendes Zitat über Autokratien. Es lautet: „Dieses ständige Lügen zielt nicht darauf ab, dass die Menschen eine Lüge glauben, sondern darauf, dass niemand mehr etwas glaubt. Ein Volk, das nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden kann, kann nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. Und ein solches Volk, der Fähigkeit zu denken und zu urteilen beraubt, ist, ohne es zu wissen und zu wollen, völlig der Herrschaft und der Lüge unterworfen. Mit einem solchen Volk kann man machen, was man will.“

Einer, der gegen die verbrecherischen Lügen seiner Zeit öffentlich das Wort erhob, war Clemens August Graf von Galen. Durch seine Kritik am Terror der Gestapo schrieb er als Löwe von Münster Geschichte. Heute vor 79 Jahren starb er.

Wir brauchen nicht den Mut eines Löwen, aber unsere Aufgabe ist es, die Hoffnung wachzuhalten. Hoffnung ist mehr als eine innere Haltung. Klang bekommt sie durch unserer Sprache. Apokalyptische Szenarien, Panikmache, Verleumdung und Ehrabschneiderei wirken hoffnungslos, denn sie vergiften Beziehungen und brechen den Willen zur Zukunft. Hoffnung hingegen ist eine Haltung der Offenheit. Sie ist in Krisenzeiten nicht nur lebenswichtig, sie ist eine Konsequenz, die aus der Krise folgt. Ohne Krise sähen wir überhaupt keine Notwendigkeit zu hoffen: Nur weil jemand krank ist, erhofft er seine Gesundheit, nur weil Unfriede herrscht, erhoffen wir Frieden.

Nichts brauchen wir in der Krise mehr als die Hoffnung. Nur mit ihr können wir sie überwinden. Denn Hoffnung gibt uns genau die Kraft, die wir brauchen, um aus schweren Situationen herauszukommen. Die Hoffnung ist es, die uns zu Taten führt, Hoffnungslosigkeit hingegen ist gleichzusetzen mit Kapitulation. Hoffnung zu verbreiten und zu stärken, haben sich Religionen auf die Fahnen geschrieben. Politik sollte es auch tun. Und wir alle.

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