Zwei Zeilen mit hundsgemeiner Wucht

Gastkolumne in OM-Medien zum 16. März

Der Samstag hatte so verheißungsvoll begonnen. Dann, um 13.49 Uhr, meldet sich mein Handy. Per WhatsApp war eine Nachricht gekommen. Nur zwei Zeilen zeigten sich im Display. In ihrer Kürze steckte eine hundsgemeine Wucht. Es war, als schössen mir die Zeilen unvermittelt in die Kniekehlen. Sie sagten mir, dass Bernd am Morgen dieses Tages plötzlich gestorben sei. Augenblicklich sah ich vor meinem geistigen Auge, wie ich vier Tage zuvor mit ihm Musik gemacht hatte. Wie jeden Dienstagabend im Stapelfelder Parforce-Ensemble. Doch sogleich blitzte eine Prise Glück in mir auf, denn bei dieser Probe hatte ich ein paar Takte mehr als sonst mit ihm geredet. In diesem kurzen Gespräch war mir deutlich geworden, wie sehr ich seine stille Zugewandtheit, sein Lachen, seine Bescheidenheit liebte. 

Die Nachricht dieses Samstags lag tagelang wie ein staubgraues Laken über mir. Unter ihm verloren selbst Putin, Trump, Klimasorgen und Hamas ihre toxische Wirkung. Bernds Tod war in diesen Tagen giftiger. Wie ein Gegengift hätte es auf mich gewirkt, in sein lachendes Gesicht zu blicken. Es hätte mich zum Lachen gebracht. 

Aber wäre das angebracht gewesen? Während mir das durch den Kopf ging, stieß ich auf einen Beitrag im „Tagesspiegel“.  Darin wird der Arzt und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen gefragt, ob es zulässig sei, dem Tod mit Humor zu begegnen. Seine Antwort: „Fragen Sie mich im nächsten Leben nochmal.“ Hin und wieder wollten Journalisten von ihm wissen, was man an seinem Grab über ihn sagen solle. „Was man sagen soll? Ist doch klar: ,Oh, er bewegt sich noch.` Das wünsche ich mir“, sagt von Hirschhausen. „Außerdem möchte ich nicht im Gedenken der Menschheit weiterleben, sondern viel lieber in meiner Wohnung.“

Barbara Wild weiß, dass Humor hilft, schwere Themen auszusprechen und zu bewältigen. Die Tübinger Professorin ist Ärztin für Neurologie und befasst sich wissenschaftlich mit dem Thema Humor. In der „Zeit“ berichtet sie von ihren Humortrainings, in denen sie Teilnehmerinnen einen Stapel Cartoons vorlegt. Jede soll sich den herausziehen, den sie am witzigsten findet. Dabei fällt auf, dass die meisten zu einem Cartoon greifen, der mit ihnen selbst zu tun hat. Die Ärztin nennt ein Beispiel: Ein Bild zeigt eine ältere Dame, die auf dem Gipfel eines Berges im Rollstuhl sitzt. Hinter ihr eine jüngere Frau, die den Rollstuhl hält und denkt: „Manchmal muss man auch loslassen können.“ 

Aber was fand die Frau an diesem makabren Cartoon so erheiternd? Als sie es erklärte, „kamen ihr plötzlich die Tränen, und es brach förmlich aus ihr heraus“, sagt Barbara Wild. Die Frau erzählte, dass sie sich um ihre pflegebedürftige Mutter kümmern müsse und wie furchtbar belastend das sei. Im besten Fall, so die Ärztin, erinnere sich die Frau an das Bild, wenn sie das nächste Mal an der Pflege ihrer Mutter verzweifele und ihre negativen Gefühle etwas loslassen könne.

Überhaupt nicht makaber finde ich es, wenn ich beim Thema Humor an Hospize denke. Nicht zuletzt an das Cloppenburger Hospiz namens Wanderlicht. Dort herrscht keine Grabesstille. Oft wird dort musiziert, gesungen und gelacht. Möglich ist das, weil dort Ärzte und Pflegerinnen tätig sind, die den Tod nicht als Scheitern ihrer Profession ansehen. Für sie ist er Teil des Lebens, den sie begleiten und gestalten können. Wer das lachend leistet, wirkt entlastend. Nicht, indem er Probleme weglacht. Das klappt nicht. Aber wer sie mit Humor betrachtet, wechselt seine Perspektive. Das führt zu neuen Gedanken. Und dazu, das Leben augenzwinkernd ernst zu nehmen.