Der du am Boden liegst

Dich so zu sehen!
Meine Augen 
wollen zu dir empor,
verlangen nach deiner Größe, 
die einst mich Ehrfurcht gelehrt. 
Im Schatten deiner Krone 
dich ermessend
brachtest du mir Demut bei. 
Jetzt liegst du da, 
vom Tod zerfetzt, 
vom Leben zerfressen. 
Erzählst mir stumm 
von der Erde, 
aus der du nicht mehr saugst, 
was Jahrhunderte dich genährt.
Tot erfüllst du sie mit Leben, 
diese Erde, bis sie Kreaturen 
wie dich gebiert. 
So schaue ich auf zu dir, 
der du am Boden liegst, 
vergesse alle Sorgen 
ums Überleben
ein Waldrauschen lang
und übe mich 
im schönsten Erleben.

Der Schräge

„Glaubst du wirklich, dass du hier hingehörst“, fragte einer der Aufrechten den Schrägen. „Glaub schon“, sagte der Schräge. „Wieso?“
„Schau dich doch mal um, hier steht man gerade.“
„Hab ich schon gesehen. Aber einfach nach oben ist halt der schnellste Weg zum Licht.“
„Nicht nur das“, sagte der Aufrechte, „man macht auch ’ne bessere Figur.“
„Ach so“, sagte der Schräge, „ich dachte schon eure Haltung wär ’n Strammstehen vor der Sonne.“
„Strammstehen? Wir sind halt integriert. Was man von dir nicht gerade sagen kann.“
„Macht doch nichts“, sagte der Schräge. „Integration ist ’ne prima Sache, klingt aber so vornehm, dass ich manchmal misstrauisch werde.“
„Warum?“
„Weil dahinter ’ne Anpassung steckt, die ich lieber Unterwerfung nennen würde. Nicht immer. Aber ab und zu. Und ziemlich oft.“ ?

Zu nahe

„Darf ich mal ganz ehrlich sein?,“ sagte der eine Baum zum anderen.
„Klar, immer. Weißt doch, wie ich es liebe, wenn du ganz offen bist. Also sag schon!“
„Ich finde einfach, du gehst zu weit.“
„Wie meinst du das?“
„Du kommst mir zu nahe.“ ??