Hin zu dir

Könnt ich doch sein
wie die Bäume, 
sein ohne Wortgetös, 
das souflierender Stille 
die Sprache nimmt. 
Dann könnt ich 
beredter Lautlosigkeit lauschen, 
sie atmen hörn, 
bis eigne Gedanken 
leis erklingen, 
der Zeit die Grenzen sprengen. 
Dann könnt 
mein Denken wachsen 
wie der Sonne Strahlen,
die die Erde küssen,
wie die mächtigen Äste 
der Bäume. 
Aus mir heraus, 
hin zu dir. 

Nicht dafür geschaffen

Für den Sprung 
ins kalte Wasser 
nie geschaffen 
und doch mittendrin. 
Schleichend, ganz sanft, 
kam einst der Fluss daher, 
streichelte 
dürstende Erlen, Birken, Eichen 
mit feuchtem Kuss, 
bis trunken sie im Sumpf 
zu schwimmen lernten, 
bis aufrechte Säulenwesen 
demütig sich neigten, 
ihre Wurzeln im Meer 
nie gesehner Möglichkeiten 
zusammen ankernd 
die Hände reichten.

Vom Sommerkleid befreit

Alles still,
wie lahmgelegt, 
und doch von Stillstand keine Spur. 
Silbergrau gewandet 
feiern Zweige, Äste, Halme
winterfestlich leis das Innehalten. 
Vom Sommerkleid befreit, sind sie bereit, 
des Frostes weißes Raugewand zu tragen.
Beim Walzer klirrend kalter Zeit sich wiegend, 
erspüren sie im Miteinander 
der Sonne Weg vom Ich zum Du. 

Hoffnungsleuchten

Ein letztes Mal 
ist es erwacht, 
das alte Jahr. 
Das Haus am See liegt da 
wie eine nachtfunkelnde Welt 
im schlafenden All. 
Mit hellem Leben 
bemalt es 
den noch träumenden See, 
bereitet dem Tag 
einen festlichen Empfang, 
würdigt mit stillem Feuerwerk 
was gewesen ist, 
und schickt 
sein Hoffnungsleuchten 
zu uns. Für all das, 
was kommen mag.

Des Winters goldner Atem

Des Winters goldner Atem 
haucht der Erde Stille ein, 
durchschleicht die Landschaft, 
küsst in leisem Tanz 
frostmüde Zweige wach, 
bereitet der Natur die Bühne, 
die unsre Herzen sehen lässt,
was Leben ist. 

Nachtgewand

Mit weißem Himmelsstaub
bedeckt der Winter 
Bäume, Felder, Dächer, 
reicht dem Jahr 
das Nachtgewand, 
will uns führen 
zur Traumesstille, 
aus der wir 
hellwach blicken auf das, 
was kommen mag. 

Knospenmüd

Er ahnt nicht,
was in ihr steckt,
atmet nicht ihren Duft,
den sie knospenmüd
in sich verschließt. 
Ahnungslos
lässt sich der Winter
auf ihr nieder, 
feiert die Zeit
mit kristallnem Schmuck,
bis unter ihm
keimgrün neues Leben sich reckt
und froststarrer Schmuck
frühlingswarm schmilzt. 

Geliebtes Sehnen

Schaue dich an 
durchs Gitter meiner Wünsche, 
dich geheimnisvolle Lust. 
Bin mir nicht sicher, 
ob ich dich will und weiß doch, 
dass schon längst du mich hast. 
Legst mir heimlich 
die Lunte ins dämmernde Herz, 
zündest das Feuerwerk 
der Begierde, 
bis Erfüllung 
den Himmel verheißt 
und als Funken gelandet 
am Boden erlischt. 
Hast dich davongemacht, 
du begehrte Lust, 
mir nur die Sehnsucht 
nach dir hinterlassen. 
Wie gut, dass wenigstens dich 
ich hab, geliebtes Sehnen. 
Im Schein deines Lichts
find ich Wege zu mir.

Hellwach die Nacht verehrn

Bevor des letzten Tages Kerze ausgebrannt,
will ich lernen, hellwach die Nacht zu verehrn.
Nicht die eine, die alle erwartet,
nein, jede, die mir enthüllt,
was kein Tag mir zeigen kann.
Denn du, finstre Nacht,
schenkst mir der Sterne Leuchten,
während du selbst
dich im Mondlicht sonnst.
Im Meer der Träume
schlägst du meine Angstfregatten leck
und lässt sie in dir untergehn. 

Lässt schon bald sich fallen

Als wollt er
mit kristallnem Schimmer
sich bedanken,
rinnt der Tropfen
auf grüner Haut hinab,
setzt dem Zweig
die diamantene Krone auf.
Als dankte er dem,
der ihm Halt gibt,
ohne festzuhalten.
Noch einen Augenblick verharrend,
lässt er bald schon sich fallen.
Nicht davonmachend,
sondern ankommend,
wo er des Zweiges Wurzeln
tränken kann.