Augen, die nicht nur sehen

Möchte Augen haben, 
die nicht nur sehen, 
nicht nur beäugen, 
inspizieren, kalkulieren. 
Wünsche mir, 
dass sie 
Aufmerksamkeit verschenken 
und den Augenblick 
füllen mit einem Leben, 
das in der Seele 
hörbar wird.

Zur Unendlichkeit

Weit, weit draußen, 
dort, wo des Himmels 
weiße Wolkenkissen 
all irdisches Getöse 
still in Sanftheit betten, 
muss die Unendlichkeit 
zu Hause sein. 
Würd‘ sie 
so gern erreichen, 
eins mit ihr werden, 
in ihr schwebend 
eigene Gedankendeiche 
fluten. 
Viel zu lang schon
stapft ich im Schlick 
meines Sehnens 
ihr hinterher, 
bis eigene Endlichkeit 
fast mich verschlungen.
Nun schau‘ ich 
auf den Kompass, 
den sie mir geschenkt. 
Er sagt: 
Zur Unendlichkeit 
geht’s weder vor 
noch zurück. 
Sie ist in dir.

Du musst sie lieben

Oh Nacht, 
du musst sie lieben, 
all die Halme und Sprosse,
die ihr Ich kaum erfahren,
im Wir ein Leben lang 
Weide sind. 
Hast für sie
in lichtfernen Stunden 
deine Schätze 
aus nachtkühlen
Schatullen geholt, 
jeden Halm, jeden Spross 
mit deinem Tau geziert. 
Einen prachtvoller 
als den anderen. 
Und wenn der Tag 
zur Wachablösung 
dir gute Nacht gesagt, 
ist’s, als hättest du 
dein diamantenes Kleid 
abgestreift, 
damit des Morgens Sonne 
ihre eigne Pracht
in der Weide 
glitzerndem Gewand 
erkenne. 

Mein Kalender für 2022 ist da

Ich weiß, hier lässt sich üüüüüüüberhaupt nichts schönreden, denn dieser Text ist schlicht und (wenig) ergreifend nix als Werbung. 😉 Und zwar eine für meinen nächsten Kalender, für den des Jahres 2022. Aber was soll ich machen?! Schließlich waren es ganz, ganz viele von euch, die mich baten, sofort Bescheid zu geben, wenn der neue Kalender da ist. Nun ist es passiert: Im Verlag Calvendo ist mein Kalender 2022 erschienen. Darin philosophieren Fenster, Bäume und andere clevere Gestalten über das gute Leben. Titel: „… sagte das Fenster“. Formate: A 5, A 4, A 3 und A 2.
Ist in jedem Buchhandel, direkt beim Verlag und bei Amazon zu bestellen.
Mehr dazu erfahrt ihr auf meiner Website andreasklaene.de
Übrigens: Das Motiv auf Seite 1 fiel mir auch diesmal im Nordseebad Dangast vors Objektiv. 😀

Wenn ich deine Grenzen akzeptieren würde

„Mag sie noch so edel aussehen, ich kann sie nicht ausstehen“, sagte der Raum.
„Wovon sprichst du?“, fragte der andere.
„Von dieser doofen Absperrung. Die ist doch so über wie ´n Virus.“
„Ich finde so ´ne Grenze gar nicht so schlecht.“
„Also hör mal, wir gehören zusammen. Nichts und niemand darf uns trennen. Dass du das anders siehst, macht mich jetzt total fertig.“
„Quatsch, bin doch deiner Meinung.“
„Und wieso biste dann so in diese blöde Grenze verliebt?“
„Nicht verliebt, finde sie nur interessant.“
„Wieso?“
„Wenn keine Grenze da ist, hab ich doch gar keine Ahnung, wo ich aufhöre und wo du beginnst.“
„Macht doch nichts.“
„Mag sein, aber ich stell mir gerade vor, wie`s wäre, wenn ich bei aller Liebe immer deine Grenzen akzeptieren würde. Dann könnte es doch glatt passieren, dass du mich demnächst noch mehr lieb hast.“ 😀

Dich noch zu sehen

Hatte nicht mehr daran geglaubt,
dich noch zu sehen,
nicht an diesem Abend.
Hatte nur darauf gehofft, ganz leis,
kaum lauter als schläfriger Abendwind,
der die Halme streift.
Wie aus Waldes Zauberhand entsprungen
bist du nun aufgetaucht, sichtbar geworden,
nur weil du mich nicht siehst. 
Ich betrachte dich mit starren Lidern,
will dich nicht vertreiben 
aus menschenferner Blätterwelt,
erkenne in dir das Wesen, 
das nicht an gestern und an morgen denkt, 
das den Augenblick
liebevoll mit Aufmerksamkeit beschenkt,
und ich begreife, 
dass im Beobachten das Achten wohnt.

Sie liebkosen

Weiß nicht, 
ob ich jemals dich gehabt. 
Bin nicht einmal mir sicher,
ob ich weiß, wer du bist. 
Deine Schwester, das Glück, 
ist mir vertrauter.
Sie ist ein seltsamer Vogel, 
kommt wie der Kuckuck 
mit lautem Ruf daher,
legt ihr Ei ins fremde Nest, 
doch kann ich nicht halten,
was daraus schlüpft. 
Es fliegt davon. 

Wie oft schon
lief ich dir hinterher,
dir, meinem Glück. 
All mein Sehnen 
klebte an dir 
wie einst die Augen Suchender
am Stern von Bethlehem. 
Schluss mit der Suche 
nach dem Glück. 
Will nicht mehr laufen 
stets hinterher. 

Will da sein, wo ich bin,
leis warten 
auf des Glückes Schwester. 
Zufriedenheit soll sie heißen, 
weder laut noch flatterhaft sein. 
Man sagt, 
sie brauche nicht viel 
für ihr Glück. 
Nur ein Zuhause. 
Ich will es ihr geben, 
tief in mir. Und sie liebkosen. 
Bis Zufriedenheit 
in mir wohnen mag
und mich zum Frieden lenkt. 

Mit fremden Augen

Manchmal, 
wenn ich die Welt nicht versteh, 
wenn Andersartigkeit mich erschrickt,
könnt ich versuchen, 
durch fremde Augen auf sie zu sehn. 
Dann wäre mein Sehen 
nicht mehr gefangen 
in der Zelle eigener Norm.
Es flöge hinaus, 
schwebend über Gedankengrenzen, 
könnte sehen, was ich nie sah, 
und würde Begeisterung in mir säen, 
wo Argwohn wuchernd wächst.
Bald würd ich entdecken, 
wie aus Begeisterung Aufgeschlossenheit keimt.
Dankbar werd ich sie ernten
und im Anderssein Buntheit sehn,
die meinem Tun neue Farben gibt. 
So könnt ich mich verlieben. 
In dich und dich und mich. 
Denn zusammen wären wir das Blütenfeld, 
aus dem die Welt ihren Nektar zieht. 

Wer staunend schaut

Will nie mein Lächeln 
im Requiem des Alltags 
bestattet sehen. 
Will lernen, 
zu schaun auf die Welt 
wie ein Kind. 
Will mich nicht fürchten, 
zu staunen, 
möcht mich ergreifen lassen 
und begreifen, 
dass nur 
wer staunend schaut, 
sieht, was für Augen 
unsichtbar ist. 

Staunend will ich 
schaun auf die Welt, 
auf alles um mich herum, 
bis all meine Sinne 
die feinsten Register ziehn
und meine Ohren im Pianissimo 
des Lebens Liebesgesang hörn.

Wenn alles Licht sich verdrückt

Wenn alles Licht sich verdrückt, 
möcht ich lernen, 
wie Moos im Schatten zu gedeihn. 
Möcht in eigner Winzigkeit 
Wälderweiten finden, 
in denen sinnloses Suchen 
furchtlos sich verläuft. 
Vielleicht würdest dann du 
gern die Ameise sein, 
die in mir ihr Fleißgewand verliert 
und mit mir zusammen findet, 
was uns erdet.