Ein letztes Mal
ist es erwacht,
das alte Jahr.
Das Haus am See liegt da
wie eine nachtfunkelnde Welt
im schlafenden All.
Mit hellem Leben
bemalt es
den noch träumenden See,
bereitet dem Tag
einen festlichen Empfang,
würdigt mit stillem Feuerwerk
was gewesen ist,
und schickt
sein Hoffnungsleuchten
zu uns. Für all das,
was kommen mag.
Des Winters goldner Atem
Des Winters goldner Atem
haucht der Erde Stille ein,
durchschleicht die Landschaft,
küsst in leisem Tanz
frostmüde Zweige wach,
bereitet der Natur die Bühne,
die unsre Herzen sehen lässt,
was Leben ist.
Nachtgewand
Mit weißem Himmelsstaub
bedeckt der Winter
Bäume, Felder, Dächer,
reicht dem Jahr
das Nachtgewand,
will uns führen
zur Traumesstille,
aus der wir
hellwach blicken auf das,
was kommen mag.
Knospenmüd
Er ahnt nicht,
was in ihr steckt,
atmet nicht ihren Duft,
den sie knospenmüd
in sich verschließt.
Ahnungslos
lässt sich der Winter
auf ihr nieder,
feiert die Zeit
mit kristallnem Schmuck,
bis unter ihm
keimgrün neues Leben sich reckt
und froststarrer Schmuck
frühlingswarm schmilzt.
Geliebtes Sehnen
Schaue dich an
durchs Gitter meiner Wünsche,
dich geheimnisvolle Lust.
Bin mir nicht sicher,
ob ich dich will und weiß doch,
dass schon längst du mich hast.
Legst mir heimlich
die Lunte ins dämmernde Herz,
zündest das Feuerwerk
der Begierde,
bis Erfüllung
den Himmel verheißt
und als Funken gelandet
am Boden erlischt.
Hast dich davongemacht,
du begehrte Lust,
mir nur die Sehnsucht
nach dir hinterlassen.
Wie gut, dass wenigstens dich
ich hab, geliebtes Sehnen.
Im Schein deines Lichts
find ich Wege zu mir.
Hellwach die Nacht verehrn
Bevor des letzten Tages Kerze ausgebrannt,
will ich lernen, hellwach die Nacht zu verehrn.
Nicht die eine, die alle erwartet,
nein, jede, die mir enthüllt,
was kein Tag mir zeigen kann.
Denn du, finstre Nacht,
schenkst mir der Sterne Leuchten,
während du selbst
dich im Mondlicht sonnst.
Im Meer der Träume
schlägst du meine Angstfregatten leck
und lässt sie in dir untergehn.
Lässt schon bald sich fallen
Als wollt er
mit kristallnem Schimmer
sich bedanken,
rinnt der Tropfen
auf grüner Haut hinab,
setzt dem Zweig
die diamantene Krone auf.
Als dankte er dem,
der ihm Halt gibt,
ohne festzuhalten.
Noch einen Augenblick verharrend,
lässt er bald schon sich fallen.
Nicht davonmachend,
sondern ankommend,
wo er des Zweiges Wurzeln
tränken kann.
Täler ergleiten
Vielleicht
sollt ich dich anfassen,
mit hellwacher Hand
Täler ergleiten,
eckige Gedanken
auf dir ausrutschen lassen,
bis sie von sanfter Form versöhnt
mild mein Leben betrachten.
Der du am Boden liegst
Dich so zu sehen!
Meine Augen
wollen zu dir empor,
verlangen nach deiner Größe,
die einst mich Ehrfurcht gelehrt.
Im Schatten deiner Krone
dich ermessend
brachtest du mir Demut bei.
Jetzt liegst du da,
vom Tod zerfetzt,
vom Leben zerfressen.
Erzählst mir stumm
von der Erde,
aus der du nicht mehr saugst,
was Jahrhunderte dich genährt.
Tot erfüllst du sie mit Leben,
diese Erde, bis sie Kreaturen
wie dich gebiert.
So schaue ich auf zu dir,
der du am Boden liegst,
vergesse alle Sorgen
ums Überleben
ein Waldrauschen lang
und übe mich
im schönsten Erleben.
Bist genauso blau wie wir
„Also, nicht dass ich was gegen euch hätte, aber ich glaube, ich muss hier weg“, sagte die mittlere Vase.
„Wieso das denn?“, fragte die linke.
„Weil ich überhaupt nicht zu euch passe.“
„Quatsch, sieh dich doch mal an, du bist genauso blau wie wir.“
„Ja, okay, aber ansonsten total anders.“
„Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“
„Mal ne Frage“, sagte die rechte Vase, „bist du tatsächlich anders als wir, oder willst du es nur sein?“
„Ich will es, weil ich glaube, dass ich es bin.“
„Auf dem Trip war ich auch mal.“
„Wieso war?“
„Weil’s nichts brachte: Als ich anders als ihr sein wollte, merkte ich, wie sehr ich euch glich.“
„Und nun?“
„Bin ich bei euch und zugleich ganz ich.“ ?